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Zidlochovicer Gespräche 2017
- Schloss Zidlochovice
(nach einer offiziellen Pressemeldung von Frank Herrmann, Geschäftsführer LJV Thüringen; Fotos: F. Herrmann, A. Rath)
Zum 10. Mal trafen sich Vertreter der Jagdverbände Deutschlands, des Steirischen Jagdschutzvereins, der Österreichischen Landesjagdverbände sowie der Jagdverbände der Slowakei und Tschechiens, zu den „Zidlochovicer Gesprächen“, um über aktuell anstehende und grenzübergreifend bedeutsame Aufgaben und für die strategische Ausrichtung des Jagdwesens im mitteleuropäischen Raum wesentliche Entwicklungen zu beraten. Unter Schirmherrschaft des Ministers für Landwirtschaft der Tschechischen Republik, Ing. Marian Jurečka, stehend, widmeten sich am 31. August 2017 die Tagungsteilnehmer den Schwerpunktthemen
1. „Neue gemeinsame Agrarpolitik der EU und ihre möglichen Auswirkungen auf die Biodiversität, Landwirtschaft und Jagd“
2. „Verstärkter öffentlicher Druck auf die traditionelle Jagd und neue große Herausforderungen für die Jagd: die Afrikanische Schweinepest und der Wolf auf dem Vormarsch“
Begrüßt wurden die Tagungsteilnehmer von Mgr. Patrik Mlynář – Landwirtschaftsministerium der Tschechischen Republik-, Dr. Michl Ebner – Präsident FACE – und vom Initiator dieser inzwischen etablierten internationalen Fachtagung, Dr. Miroslav Vodnansky – Mitteleuropäisches Institut für Wildtierökologie Wien, Brno, Nitra.
In seiner Einleitung verwies Dr. Vodnansky auf die Bedeutung des ersten Schwerpunktthemas, die neue europäische Agrarpolitik, die sich in das Bild der Landschaft projizieren und auf die Biodiversität der Landschaft auswirken wird. Sie wird Einfluss darauf nehmen, ob die traditionellen Jagdwildarten Hase, Rebhuhn, Fasan in Zukunft überhaupt noch jagdlich bewirtschaftet werden können, oder ob sie auf der Seite jener bleiben werden, die sowohl als Arten und damit auch der Jagd verloren gehen. Hier wird die Jagd zum Fürsprecher für die Biodiversität und Arterhaltung.
- FACE Präsident Michel Ebner: „Die Zidlochovicer Gespräche sind ein Glücksfall für die FACE und haben Auswirkungen auf die gesamte Europäische Jagdpolitik“
Dr. Michel Ebner, Präsident der FACE, bedankte sich besonders bei Dr. Miroslav Vodnansky, Dr. Peter Lebersorger und Präsident Steffen Liebig (LJV Thüringen), den Initiatoren der nunmehr zum 10. Mal stattfindenden Tagung. Er verwies auf deren von Jahr zu Jahr wachsende Bedeutung als wichtiger Impulsgeber für die Weiterentwicklung und Ausrichtung der Jagdpolitik nicht nur in den teilnehmenden Staaten, sondern für die FACE und damit für ganz Europa. Wichtig sei es, die von hier ausgehenden Impulse in die jagdlichen Organisationen, in das tägliche Leben in die Gesellschaft und zu den Entscheidungsträgern hinauszutragen. FACE wird auch im Ergebnis der Tagungsimpulse künftig eine „kritischer-konstruktive Position“ zur Arbeit der Europäischen Kommission einnehmen.
Mgr. Patrik Mlynář , stellv. Landwirtschaftsminister Tschechiens, verwies auf die Bedeutung der „Zidlochovicer Gespräche“ für die gerade in Tschechien laufende Erarbeitung eines Dokuments zur weiteren Entwicklung der staatlichen Jagdpolitik für die nächsten 10 Jahre. Die jetzige und auch die vorangegangenen Tagungen lieferten dazu wertvolle Impulse.
Die anschließenden Impulsvorträge mit Diskussion der Tagungsteilnehmer zu dargelegten Schwerpunkten zeigten, dass der strategischen Zusammenarbeit der Vertreter des Jagdwesens des gesamten Mitteleuropäischen Raumes eine zunehmende Bedeutung zukommt. Alle Vertreter der Jagd, angefangen bei den Verbandsspitzen bis hin zu den lokal agierenden Hegeringen sind zunehmend gefordert, sich den gesellschaftlichen Entwicklungen zu stellen und sich aktiv in diese und damit in den Erhalt und die Weiterentwicklung des Jagdwesens einzubringen.
Dipl.-Ing. Pavel Sekáč (Landwirtschaftsministerium der Tschechischen Republik) referierte über „Hauptprioritäten bei den Verhandlungen über die zukünftige gemeinsame Agrarpolitik der EU bezüglich der Landschaftsstruktur und Biodiversität“. Alle öffentlichen Mittel für die gemeinsame
Agrarpolitik unterliegen Kürzungen, zunehmende Effektivität ist gefordert. 152 NGO`s haben in einen Appell radikale Änderungen der Europäischen Agrarpolitik gefordert, auf der anderen Seite stehen die Fördermittelempfänger, die Landwirte. Jäger stehen dazwischen und dies in allen mitteleuropäischen Ländern so. Zunehmend bedeutsam wird die Förderung der ökologisch orientierten Landwirtschaft mit Wahrung und Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit, zweiter Hauptinvestitionspunkt sind Umweltschutzmaßnahmen (Boden- und Klimaschutz, NATURA-2000 etc.) und Investitionen in die Erhaltung der Landschaft. Bei allen Investitionsmaßnahmen gilt es dem Landwirt zu zeigen, dass er durch diese nichts verliert, sondern nur gewinnen kann. Daher sind z.B. Greening-Maßnahmen so weiterzuentwickeln, dass sie auch vom Landwirt angenommen werden. Ein weiterer wesentlicher Punkt wird sein der Abbau bürokratischer Hemmnisse. Eines der Hauptprobleme für die Wahrnehmung der Jägerinteressen ist in diesem Zusammenhang deren inhomogene Meinungsvertretung gegenüber der europaweit vereinheitlichten Positionierung der „grünen NGO`s“ zur Agrarpolitik der EU. Hier ist die Jagd um ihrer selbst willen gefordert, sich weiterzuentwickeln. Jagd als eine der drei Säulen der Bodennutzung – Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Jagd - muss eine aktive Komponente des öffentlichen Lebens werden.
„Welche Chancen gibt es die zukünftige gemeinsame Agrarpolitik der EU zugunsten der Niederwildhege und Landschaftsstruktur zu beeinflussen?“ – hierzu referierte Mgr. Patrik Mlynář
(Landwirtschaftsministerium der Tschechischen Republik). Die den EU-Vorgaben zur Fördermittelvergabe bedingte zunehmende Großflächenbewirtschaftung hat auch in Tschechien z.B. durch deutliche Abnahme von Insektenarten, Vogel- und Niederwildarten zu Folgeerscheinungen für die Jagd geführt. Bisherige EU-Fördermaßnahmen haben sich negativ auf die Biodiversität ausgewirkt. Die gemeinsame Agrarpolitik ist zu vereinfachen, Fördermittelvergabe ist zu verbinden mit Ökodienstleistungen und Unterstützung ökologisch denkender Landwirte incl. deren Förderung auf den Agrarmärkten, Unterstützung der Reduzierung der Agrochemie, Vereinfachung des Greening dahingehend, dass dies ein Motivierungsfaktor ist und Unterstützung von Biotopen als Landschaftselemente. Gemeinsame Agrarpolitik bedarf auch selbst einer Modernisierung und Weiterentwicklung um Ihrer selbst, aber insbesondere auch um den Erhalt der Biodiversität willen.
Martin Görner (Leiter Arbeitsgruppe Artenschutz Thüringen) referierte zur Thematik „ Welche Arten sind im Agrarraum besonders gefährdet und wie kann dem entgegengewirkt werden“. Durch Intensivierung der Landwirtschaft bedingte Bodenveränderungen haben nachweislich Auswirkungen auf den deutlichen Rückgang Bodenfauna, damit der gesamten weiteren Nahrungskette über Insekten-, Feldvogel-, Kleinsäuger bis hin zu allen klassischen Niederwildarten. Dieser Entwicklung steht ein zunehmend breiteres Prädatorenspektrum gegenüber, welches den Artenschwund im Agrarraum zusätzlich beschleunigt. Ein alleiniges Prädatorenmanagement durch die Jagd kann nicht zielführend für den Artenschutz und die Wahrung der Biodiversität sein, Veränderungen in der EU-Fördermittelpolitik sind zwingend notwendig, so sein Resümee.
„Biodiversität und zeitgemäße Landwirtschaft – ein Widerspruch?“ – mit dieser Thematik beschäftigte sich Dipl.-Ing. Maximilian Hardegg (Gutsverwaltung Hardegg in Niederösterreich).
Erhalt der Artenvielfalt ist eine Kernaufgabe der Landwirtschaft und damit dies gelingt, ist die Verzahnung mit der Jagd unerlässlich. Der deutsche Begriff „Artenvielfalt“ ist wesentlich aussagefähiger, als der Begriff der „Biodiversität“, welcher z.T. mit dem eigentlichen Sinn abträglichen Klischees behaftet ist. Niederwildvorkommen sind ein Zeiger für die Artenvielfalt. Überall dort, wo eine intensive landwirtschaftliche Nutzung erfolgt, ist „Fütterung“ ein aktiver Beitrag zur Artenvielfalt. Werden 7% der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Biodiversität zur Verfügung gestellt, bildet dies den Grundstein für hochwertige Artenvielfalt. Agrarpolitik soll sich in der GAP Artenvielfalt zum Ziel setzen! Jagdgesetze gehören derart ausformuliert, dass Fütterung und Prädatorenkontrolle umgesetzt werden können. Dies gilt es auch in der Öffentlichkeit verstärkt zu kommunizieren. Wie dies umgesetzt werden kann, führte er am Folgetag anlässlich einer Exkursion auf seinen landwirtschaftlichen Nutzflächen vor.
Dir. Dr. Martin Žižka (Landwirtschaftsministerium der Tschechischen Republik) informierte zur Thematik „Afrikanische Schweinepest erreichte erstmals Mitteleuropa - aktueller Stand der Afrikanischen Schweinepest in der Tschechischen Republik“ . Mit erstmaligem Ausbruch der ASP in Tschechien am 21.06.2017 ergriff die Tschechische Regierung basierend auf praktischen Erfahrungen und Hinweisen aus den Baltischen Staaten eine Reihe von konsequenten Maßnahmen, die nach heutigem Stand der Erkenntnisse die Hoffnung geben, dass die ASP in Tschechien keine weitere Verbreitung erfährt und wieder ausgemerzt werden kann. Eine Zonierung um den Ausbruchsort, verbunden mit Einbeziehung der Vertreter der Landwirtschaft, der Jagd- und Forstwirtschaft und der finanziellen Motivation und Entschädigung für ökonomische Verluste aller Interessengruppen zeigt nach jetzigem Kenntnisstand gute Erfolge.
„Der Wolf – Prüfstein für das Jagdrecht in Deutschland“ – hierzu referierte Prof. Dr. Hans-Dieter Pfannenstiel (Deutschland). Er forderte die Erstellung einer allgemein zugänglichen zentralen Datenbank für alle molekulargenetischen Daten zum Wolf und dazu Referenz DANN aus Wolfspopulationen, die möglichst keine Kontakte zu Mensch und Hunden hatte, um eventuellen Schutz möglicher Hybriden sicher auszuschließen. Canis lupus ist nach seinen Ausführungen keine gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Tierart, so dass einer planmäßigen Bejagung keine stichhaltigen Gründe entgegenstehen.
Dr. Maximilian Schaffgotsch (Rechtsanwalt, CIC – Österreich) referierte zur Frage „Wo kommt die Jagd in Mitteleuropa im rechtlichen Sinn her und wo geht sie hin?“ Anhand aktueller „moderner“ Jagdgesetzgebungen zeigte der Referent, dass das Jagdrecht als ursprüngliches Eigentumsrecht zunehmend zugunsten des Gemeinwohls oder untergeordnet unter andere Gesetzgebungen ausgehöhlt und verändert wird.
„Ein neuer Versuch zur Abschaffung der Jagd: der Fall Zürich in Theorie und Praxis“ - Alexander Schwab (Schriftsteller und Philosoph, Schweiz) zeigte anhand einer im Kanton Zürich vorgesehenen Einführung eines Wildtiermanagementsystems, wie jagdfeindliche Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen versuchen, das bisherige Jagdsystem auszuhebeln und umzugestalten.
„Die Jagdgegner vereinen die Jäger“ – zu dieser Schlussfolgerung kommt Dr. Peter Lebersorger (Generalsekretär der Zentralstelle österreichischer Jagdverbände). Anhand des Entwicklungsweges ehemaliger Jagd- und Wildtierforscher wird das Vorgehen von Jagdgegnern zur Durchsetzung des Hauptziels, der Abschaffung der Jagd beispielhaft aufgezeigt. Infolge dessen gibt es in Österreich zunehmend auch private Initiativen der Jäger, die sich gegen jagdfeindliche Aktivitäten zusammenschließen und gemeinsam vorgehen.
„Strategien zur gemeinsamen Positionierung der Jagd in Mitteleuropa“ wurden von Dr. Peter Vogler (Consulting und Kommunikationsdienstleistungs GmbH, Österreich) vorgestellt. Er erläuterte die Maßnahmen und Ziele zur Etablierung der Marke „Jagd Österreich.
- Teilnehmer jagdlicher Interessensvertretungen aus mehreren europäischen Ländern
Am Ende der sehr anspruchsvollen Tagung und konstruktiver Diskussionen zogen alle Teilnehmer eine positive Bilanz. Viele nationale Aktivitäten, wie beispielsweise Etablierung der Marke „Jagd“ wurden und werden auf nationaler Ebene bereits umgesetzt und fanden viel Interesse bei den Tagungsteilnehmern. Im Ergebnis umfassender Diskussion zum Tagungsschwerpunkt „Agrarpolitik“ erarbeiteten die Tagungsteilnehmer eine Deklaration zum Erhalt und Förderung von Biodiversität und Artenvielfalt. Ein besonderer Dank sei gerichtet an die mit der Referentenauswahl beschäftigten Initiatoren der Tagung, an die Gastgeber und Sponsoren, an den wieder hervorragenden Simultandolmetscher und an den Moderator der 10. Zidlochovicer Gespräche, Dr. Miroslav Vodnansky.